Zude-Krause, Magdeburg 2022

  [Event "DSenEM: Runde 4"]  [Date "2022.08.15"]  [White "Zude, Arno"]  [Black "Krause, Ullrich"]  [Result "1/2-1/2"]  [ECO "C18"]  [WhiteElo "2367"]  [BlackElo "2186"]  [Annotator "Krause,Ullrich"]  [PlyCount "81"]   1. e4 e6 2. d4 d5 3. Nc3 Bb4 4. e5 c5 5. a3 Bxc3+ 6. bxc3 Qa5 7. Bd2 Qa4 {  Die sogenannte Portisch-Hook-Variante, die ich seit Jahren mit wechselndem  Erfolg spiele. Nach der Partie, die in der vierten Runde der Deutschen  Seniorenmeisterschaft in Magdeburg im Rahmen des Gipfels gespielt wurde,  erklärte mir der DSB-Sportdirektor Kevin Högy, dass die französische  Verteidigung alleine schon wegen des einengenden Bauern auf e5 schlecht sein  müsste für Schwarz. Mein Argument, dass dieser Bauer zu weit nach vorne  gegangen ist und deshalb den Bauern d4 nicht mehr decken kann, hat ihn nicht  überzeugt. Ich muss ehrlicherweise zugeben, dass ich im Unterschied zu  früher nicht mehr hundertprozentig von der Korrektheit des Zuges 1....e6  überzeugt bin, ich bin aber andererseits absolut überzeugt, dass ich mit  einer anderen Eröffnung chancenlos verloren hätte. Die  Vertrautheit mit den Strukturen hilft dabei, auch schlechtere Stellungen (wie  in dieser Partie) zäh zu verteidigen.} 8. Qg4 g6 9. Nf3 Nc6 10. Be2 Bd7 11.  Qh4 {Dieser Zug war neu für mich. Normal ist 11.Df4, wonach Schwarz ebenfalls  mit ...c4 und ...h6 fortsetzt, um dann mit ...Th7 die lange Rochade  vorzubereiten. In der Partie bedarf es dazu noch weiterer Züge. Ich kann in  gewisser Weise nachvollziehen, dass das nicht jedermanns Tasse Tee ist.} c4 12.  Ra2 h6 13. O-O Nce7 ({Nach dem natürlicheren Zug} 13... Nge7 {befürchtete ich  } 14. Bg5 {wonach es nicht so einfach ist, den Springer auf e7 noch einmal zu  decken. Nach ...Sce7 gelingt das mit Hilfe des Manövers ...Lc6 und ..Da5-c7.})  14. Bg5 Qa5 15. Rb1 Bc6 16. a4 Qc7 17. a5 O-O-O {Der Computer sieht Weiß hier  mit einem Bauern im Vorteil und in der Tat ist die weiße Stellung viel  einfacher zu spielen. Er hat am Damenflügel Raum gewonnen, die aktiveren  Türme und die Option, den schwarzfeldrigen Läufer über c1 nach a3 zu  bringen, von wo aus er bedrohlich in die schwarze Stellung schaut. Schwarz  muss hier um jeden Preis den Zug ...f6 bzw. ...f5 ausführen, ansonsten geht  er chancenlos unter. Das weiß ich deshalb, weil ich die Variante wie gesagt  nicht zum ersten Mal auf dem Brett hatte.} 18. Bc1 Rf8 19. Ba3 f5 20. exf6 (20.  Ng5 {wäre deutlich unangenehmer gewesen. Schwarz hätte deshalb ...f6  anstelle von ...f5 spielen sollen.}) 20... Nxf6 21. Ne5 {Dieser absolut  natürliche Zug ist erstaunlicherweise ein Fehler in dem Sinne, dass es einen  viel besseren gab, nämlich} (21. Qh3 {wonach Schwarz  Koordinationsschwierigkeiten bekommt, weil weder ...Dd7 noch ...Ld7 möglich  ist.}) 21... Nf5 22. Qh3 Rfg8 23. Bg4 (23. g4 {führt nach} Ne4 {zu einigen  Verwicklungen, die wir in der Analyse nach der Partie nicht vollständig  überblicken konnten.} 24. gxf5 gxf5+ 25. Kf1 Qg7 26. Ke1 Qg1+ 27. Qf1 Nxc3 {  hätte den Finger in die weiße Wunde am Damenflügel gelegt. Die Stellung ist  dann erstaunlicherweise ausgeglichen, aber Weiß hat auf jeden Fall die  Kontrolle abgegeben und auf einmal sind alle drei Ergebnisse möglich.}) 23...  Kb8 (23... Ne4 {wäre viel besser gewesen, um den Weißen darauf hinzuweisen,  dass er auf c3 auch eine Schwäche hat. Aufgrund der Stellung der weißen  Türme ist ...Sxc3 immer eine wichtige Ressource für Schwarz.} 24. Nxg6 Rxg6  25. Bxf5 Rxg2+ 26. Qxg2 exf5 {ist besser für Schwarz.}) 24. Bxf5 gxf5 25. Qe3  {mit der Drohung Sxc6 nebst De5, deshalb versteckt sich der schwarze König in  der Ecke.} Ka8 26. Rab2 Rg7 (26... Rh7 {wäre viel natürlicher gewesen. Mit ..  .Tg7 verliert Schwarz ein entscheidendes Tempo.} 27. Nxc6 Qxc6 28. Qe5 Nd7 {  zeigt den Unterschied zur Partie sehr deutlich.}) 27. Nxc6 Qxc6 28. Qe5 Rf7 29.  f3 ({Mit} 29. Rb6 axb6 30. axb6 Qa4 31. Ra1 {hätte Weiß den schwarzen Fehler  im 26ten Zug ausnutzen können. Schwarz ist erstaunlicherweise auch nach dem  Tausch der Dame gegen die beiden Türme vollkommen hilflos gegen den  ausgesprochen langsamen weißen Angriff.} {zum Beispiel} Re8 32. Bb2 Qxa1+ 33.  Bxa1 Nd7 34. Qd6 Nb8 35. Bb2 Rd7 36. Qa3+ Na6 37. Bc1 h5 38. Qa4 Rdd8 39. Bf4  Rf8 40. Bc7 Rc8 41. Qd7 Rfe8 42. Be5) 29... Rg8 30. Re1 Re8 31. Qd6 Qxd6 32.  Bxd6 Nd7 33. Rb5 {Schwarz hat das Schlimmste überstanden, aber auch in diesem  vereinfachten Endspiel steht Weiß besser und Schwarz muss ganz konkret das  Problem des hängenden Bauern auf d5 lösen, was ihm nur mit taktischen  Mitteln gelingt.} Rg7 34. g3 (34. Rxd5 Reg8 {ist besser für Schwarz.}) 34...  Rgg8 35. Kf2 h5 36. h4 b6 37. Reb1 a6 ({Besser wäre} 37... Kb7 {gewesen, weil  nach} 38. axb6 axb6 39. Bc5 Kc6 {geht mit der Idee} 40. Bxb6 Rb8) 38. R5b2 (38.  Rxb6 Nxb6 39. Rxb6 {wäre die letzte Chance gewesen, auf Vorteil zu spielen,  aber kurz vor der Zeitkontrolle sollte man so ein Risiko nicht eingehen, denn  im Falle des Turmtausches könnte sogar Schwarz noch gewinnen. Der Computer  sagt, dass Weiß etwas besser steht.} Rg7 40. Bc5 Reg8 41. Rxa6+ Kb7 42. Rxe6  Rxg3 43. Ke3 Rh3 {ist immer noch besser für Weiß, aber das lässt sich mit  wenig Zeit nur sehr schwer einschätzen.}) 38... b5 {Jetzt hat Schwarz zum  ersten Mal in dieser Partie ausgeglichen. Arno Zude empfahl mir nach der  Partie, die Caro-Kann-Verteidigung zu studieren. Allerdings weniger wegen  dieser Partie, sondern weil ich ihm mein Leid geklagt hatte über die oben  erwähnten Nachteile der schwarzen Stellung nach 1...e6 - weißer Bauer auf e5  etc.} 39. Re1 Kb7 40. Rbb1 Kc6 41. Bf4 {Die Analyse nach der Partie war  übrigens eine der angenehmsten, an der ich seit langem beteiligt war. Es ist  immer wieder faszinierend, wie selbstkritisch starke Spieler sind und  wie selten sie sich auf ein eindeutiges Urteil festlegen, was den Ausgang der  Partie angeht. 95% aller Stellungen sind "schwer zu beurteilen" oder "nicht  vollständig klar". Das unterscheidet sie ganz deutlich von schwächeren  Spielern, die sehr oft ein vorgefertigtes Urteil über eine Stellung haben und  die dann im Wesentlichen versuchen, dieses Urteil mit den Varianten zu  begründen, die sie berechnen. Eigentlich sind das zwei einfache Vorgaben, um  besser zu werden (Selbstkritik und Skepsis), aber ich ertappe mich selbst sehr  oft dabei, dass ich erst die Stellung einschätze und dann anfange zu rechnen,  anstatt andersherum vorzugehen.} 1/2-1/2