Der Kongress fängt an zu tanzen

Acht Tage zum Wohl des Schachsports

Die Anzahl der Hüte, die ich in Chennai abwechselnd trage, beträgt vier: Präsident, Delegierter, Mitglied des Schiedsgerichts und Fan. Für den Fan war heute ein guter Tag: Zwei glatte 3-1 Erfolge (soweit ich das beurteilen kann) und damit 8-2 Punkte für beide Mannschaften – darauf lässt sich aufbauen!

Aber heute soll es um die ersten beiden Hüte gehen. Der Kongress der FIDE besteht im Unterschied zu dem des DSB aus etlichen Sitzungen, die im Laufe einer Woche (um genau zu sein, an acht Tagen) stattfinden. Wie man dem oben abgebildeten Plan entnehmen kann, tagen die Kommissionen und einige regionale Gremien, bevor am Sonntag und am Montag die sogenannte General Assembly durchgeführt wird, die dem DSB-Kongress entspricht.

Auf der GA wird der Haushalt verabschiedet, über Anträge abgestimmt und vor allem gewählt. Nach meiner bisherigen Erfahrung werden die meisten Anträge durchgewunken („Any objections? Proposal accepted!“), aber ab und zu gibt es auch kontroverse Diskussionen. Vor den Wahlen stellen sich alle Kandidaten noch einmal vor („You know me, I am the right man!“) und gelegentlich zieht ein Kandidat seine Kandidatur auch kurz vor der Wahl (also während seiner Rede) vollkommen unerwartet zurück, nachdem er sich kurz vorher noch einmal mit seinem Team beraten hat. Man darf gespannt sein, ob das am kommenden Sonntag wieder passiert – ich halte das nicht für ausgeschlossen.

Die für die GA notwendigen Vorbereitungen in Bezug auf die wahlberechtigten Delegierten benötigen deutlich mehr juristischen Sachverstand als beim DSB, wo einfach die Mitgliedszahlen ermittelt werden. Wer sich dafür interessiert: Hier findet man den Bericht der Electoral Commission. Gewählt werden dann Tickets anstelle der beim DSB üblichen Einzelwahlen. (Die Diskussion auf dem Hauptausschuss im Mai hat übrigens ergeben, dass das auch nach der Satzungsreform so bleiben wird.) Für das Amt des Präsidenten kandidieren vier Schachfreunde bzw. Schachtickets. Vier Vizepräsidenten werden einzeln gewählt, hier kann man sich die Liste der Kandidaten anschauen. Auf der Seite zum FIDE-Kongress findet man alle Informationen – auch das sind deutlich mehr als beim DSB. Dafür werden bei uns alle Kandidat(inn)en vorgestellt, was bei den FIDE-Wahlen auf separaten Webseiten der einzelnen Tickets oder per E-Mail erfolgt („It would be really helpful for you to have a very good friend in the council.“)

Die Sitzungen der Kommissionen, die gestern begonnen haben, sind übrigens öffentlich. Der DSB ist dort mit sieben Personen vertreten: Uwe Bönsch (Trainers Commission), Boris Bruhn (Chess in Education Commission), Klaus Deventer (Fair Play Commission), Marcus Fenner (Global Strategy Commission), Gregor Johann (Rules Commission), Thomas Luther (Commission for the Disabled) und Jens Wolter (Arbiters Commission). Ich gehe davon aus, dass das unabhängig vom Ausgang der Wahlen am Sonntag auch zukünftig im Großen und Ganzen so bleibt.

Was auf der FIDE-Seite übrigens nicht steht, sind zwei weitere Angebote im Kongress-Hotel: Es gibt einen Pavillon, in dem man sich über das Ticket des Amtsinhabers informieren kann und am Vorabend der Wahl gibt es eine Party für geladene Gäste, wo man dasselbe tun kann – zwei weitere Unterschiede zwischen der FIDE und dem DSB…

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